Anwendungsszenarien für Videoannotationen in der Lehramtsausbildung


► Kurzbeschreibung

In den Instituten der Grundschulpädagogik, Berufspädagogik, Chemiedidaktik und der Sonderpädagogik der Universität Rostock werden Anwendungsszenarien zum Einsatz von Videoannotationssoftware konzipiert, pilotiert und evaluiert. Das hier beschriebene Projekt wird finanziert aus dem Förderfonds „Carpe digitale“ der Universität Rostock.


► Hintergrund

Der eingeschränkte Hochschulbetrieb im Zusammenhang mit der Coronapandemie erforderte eine drastische und kurzfristige Umstellung auf internetbasierte Lehrangebote. Die Studierendenbefragung zum Corona-Semester 2020 (durchgeführt durch das HQE) zeigte, dass ein großer Teil der durchgeführten Lehrveranstaltungen durch die Bereitstellung von Videokommentaren durch die Dozierenden (ca. 40 % der Personen gaben an, dass min. die Hälfte der Veranstaltungen als Videoaufzeichnungen erfolgten) angeboten wurden.

Lehrvideos sollten somit entsprechend, im Sinne des integrierten Lernens, langfristig das Lehrrepertoire bereichern. Hierbei sind verschiedenste Einsatzmodi denkbar (bspw. synchrone Phase innerhalb einer Präsenzveranstaltung zur Einführung/Wiederholung/Übung/etc. oder asynchrone Blended-Learning-Formate wie Flipped Classrooms oder als asynchrone Angebote im Sinne von Open Educational Resources). Es ist jedoch nicht per se davon auszugehen, dass ein bereitgestelltes Video auch in gewünschter Form bei den Studierenden Anklang findet. Durch die Asynchronität entsteht hier der Nachteil, dass dies meist erst verzögert von den Lehrenden wahrgenommen und dann eine Anpassung nicht mehr adäquat umgesetzt werden kann. Denn auch das Konzipieren und Erstellen von Lehr- und Lernvideos muss getan, geübt und evaluiert werden.

Für diesen Prozess sehen wir ein großes Potential in der Verwendung eines Videoannotationstools zur weiteren Professionalisierung der digitalen und digital-gestützten Hochschullehre an der Universität Rostock.


► Projektidee

Das Projekt zielt originär auf die Nutzbarkeit von Videoannotationen von Studierenden zu Lehrvideos von Dozierenden der Universität Rostock. Ziel ist die Qualität der Lehrvideos durch Feedback zu optimieren. Dieser Prozess vollzieht sich über mehrere Schritte:

  1. Konzeption und Erarbeitung des Videomaterials (Pilotversion)
  2. Bereitstellung des Videomaterials (Pilotversion) für Studierende
  3. Feedback mittels Videoannotationen durch Studierende
  4. Überarbeitung des Videomaterials auf Grundlage des Feedbacks
  5. ggf. erneutes Feedback mittels Videoannotationen durch Studierende

In der weiteren Genese des Projektes wurden weitere Desiderate und Anwendungsszenarien von Videoannotationen entwickelt (s. Tabelle).


Anwendungsszenarien für Videoannotationen
  Form der Annotation Zieldimension Kurzbeschreibung  
  Studierende annotieren Lehrvideos von Dozierenden Feedback Studierende annotieren Lehrvideos von Dozierenden als Grundlage zur Optimierung des Videos.  
  Studierende annotieren Videos von Studierenden (andere oder eigene) Feedback Studierende analysieren Videos von Studierenden(-gruppen) unter verschiedenen Gesichtspunkten.  
  Studierende annotieren Videos von Studierenden (andere oder eigene) Reflexion, Selbstwirksamkeit Studierende analysieren Videos von sich selbst unter verschiedenen Gesichtspunkten.  
  Studierende annotieren Videos von Studierenden (andere oder eigene) Kompetenzdiagnostik/-Training Studierende analysieren Videos von (Unterrichts-)Situationen unter verschiedenen Gesichtspunkten.  
  Studierende annotieren Videos von Unterrichtssituationen Reflexion Studierende erweitern ihre persönlichen Kompetenzen durch Analyse von Unterrichtssituationen nach verschiedenen Kriterien.  
  Studierende annotieren Videos von prozessbegleitenden Videos Analyse von Prozessen, Reflexion Studierende annotieren Videos von z.B. Experimenten unter verschiedenen Aspekten, um die persönliche Fachkompetenz zu erweitern.  
  Dozierende annotieren Videos von Studierenden Feedback, Bewertung Dozierende annotieren Videos von Studierenden zu eigenen chemischen Experimenten.  

► Weitere Anwendungsszenarien von Videoannotationen

Diese Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten (s. Tabelle) von Videoannotationen wurde im weiteren Projektverlauf aufgegriffen und in Form von Teilprojekten verfolgt. Nachfolgend finden Sie jeweils eine Kurzbeschreibung der Teilprojekte.

► Einsatz von Videofeedback durch Video-Annotation zur Erhöhung des Selbstwirksamkeitserlebens von Studierenden in den Seminaren „Training des Lehrerverhaltens - Skill-Training“ (Oliver Carnein/ ISER)

Studierende des Lehramtes Sonderpädagogik erlernen im o. g. Seminar im 4. Semester theoretisch fundierte Handlungsmöglichkeiten zur Verhaltenssteuerung in herausfordernden Unterrichtssituationen. In Kleingruppenarbeit werden die pädagogischen Interventionen anhand des Lehrwerkes Schwierige Schüler - 84 Handlungsmöglichkeiten bei Verhaltensauffälligkeiten und sonderpädagogischem Förderbedarf (Hartke, Blumenthal, Carnein & Vrban, 2018) erarbeitet, im Rollenspiel eingeübt und am Ende in einem kleinen Lehrfilm präsentiert. Indem die Gruppe anschließend ihren eigenen Film hinsichtlich der wirksamen Momente analysiert, ist eine wachsende Bewusstheit für planvolles erzieherisches Verhalten als Lehrperson zu erwarten. Ob mit dieser Weiterentwicklung des Seminarsettings eine positive Selbstwirksamkeitserwartung sowie ggf. ein erhöhtes Selbstwirksamkeitserleben induziert werden können, soll im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit zum Ersten Staatsexamen geprüft werden.

► Unterrichtsstörungen mittels Videoannotationen erkennen, verstehen und bewerten (Stefan Blumenthal & Johanna Beutin/ IGSP)

Studierende des Lehramts Grundschulpädgogik annotieren Unterrichtsstörungen in Videosequenzen. Ziel ist es, diese Störungen zu verorten und zu bewerten. In einem zweiten Schritt werden die Studierenden im Rahmen einer Intervention geprimt, um zu verständnisorientierten Urteilen in einer erneuten Bewertung der Unterrichtsstörungen zu gelangen. Die Effekte dieser Intervention werden im Prä-Post-Design evaluiert.

► Einsatz von Feedback durch Videoannotation zur Videografie ausgewählter chemischer Experimente für den Einsatz im Chemieunterricht (Tom Kempke & Juliana Zeidler/ Chemiedidaktik)

Studierende des Lehramtes für Chemie erstellen im Rahmen des Zertifikatskurses "Gestaltung von interaktiven Videos" interaktive Videos zu ausgewählten Experimenten. Wesentliche Schritte sind dabei die Erstellung eines Storyboards, der Videodreh mit anschließendem Videoreview und die Einbindung interaktiver Inhalte mittels H5P-Elemente. Mit Hilfe von Videoannotation im Teilschritt des Videoreviews geben der Dozierende sowie die Studierenden untereinander Videofeedback anhand eines erstellten Kriterienkatalogs für die Erstellung von Videoexperimenten. Zum Ende des Zertifikatskurses werden alle Teilschritte evaluiert. Unter anderem werden dabei die Chancen und Grenzen des Einsatzes der Videoannotation erhoben.